Karoshi kommt aus dem Japanischen und kann übersetzt werden mit „Tod durch Überarbeitung“. Es beschreibt das japanische Phänomen, bei dem Mitarbeiter eines Unternehmens an Herzinfarkt oder Schlaganfall sterben, ausgelöst durch Stress und zu viel Arbeit. Seit 1980 widmete man Karoshi in Japan viel Aufmerksamkeit und es wurde zum ersten Mal als seriöse Todesursache anerkannt. Die Japaner stellten seitdem ihre Unternehmenskultur in Frage und einige japanische Unternehmen haben – auch als Reaktion auf immer höhere Entschädigungsansprüche betroffener Familien – Leitlinien für eine bessere Work-Life-Balance der Mitarbeiter ausgearbeitet.
Die Chicago Tribune war 1988 die erste englischsprachige Publikation, die ihre Leser mit „karoshi“ bekannt machte. Sie beschrieb es als ein „verstörendes Phänomen, das in direktem Zusammenhang mit „zu viel Arbeit und zu wenig Spiel“ steht; obwohl dies eine etwas verwässerte Beschreibung des Problems ist. Atlanta Journal and Constitution (1990) bietet hier eine ausführlichere Definition für karoshi: Die Opfer von karoshi—das als tödliche Mischung aus Apoplexie, hohem Blutdruck und Stress während zu vieler Arbeitsstunden definiert wird—sind gesunde Manager und Vorgesetzte der mittleren Führungsebene im Alter von 40 bis 50.
Karoshi ist nicht so sehr das Ergebnis einer zu hohen Arbeitsbelastung als vielmehr eine Folge der japanischen Auffassung, dass das Einschieben langer Arbeitstage (mit mehr als zwölf Stunden täglich und einer sehr begrenzten Zahl von jährlichen Urlaubstagen) gleichbedeutend ist mit höherer Leistung und Teamsolidarität sowie Einsatz für die Firma. Japan hat eine kollektivistische Kultur, in der die Gruppe mehr gilt, als der Einzelne. Wenn man also früh nach Hause geht, weil man seine Arbeit beendet hat, während die anderen Kollegen noch arbeiten, stößt das auf Unverständnis. Und obwohl es Arbeitsgesetze gibt, die die Zahl der Arbeitsstunden regeln, verhindert eine tief verwurzelte Auffassung innerhalb der Unternehmenskultur, dass Mitarbeiter sich Überstunden tatsächlich gutschreiben lassen, ja sie stellen nicht einmal in Frage, wenn sie diese täglich leisten müssen. Außerhalb der Firma wird zwar über Work-Life-Balance gesprochen, aber der Druck, „den Schein zu wahren“ ist überall in der japanischen Kultur vorhanden und keiner würde erwarten, dass man schon um 6 Uhr zuhause ist.
Steigt man an einem normalen Wochentag in den Außenbezirken einer japanischen Stadt in einen Frühzug, findet man japanische Angestellte auf ihrer täglichen Pendelstrecke, die beispielsweise in einer Stadt wie Tokio hin und zurück bis zu vier Stunden dauern kann. Nach der morgendlichen Fahrt zur Arbeit, wo nur wenige Glückliche einen Sitz erhaschen und vielleicht noch eine Stunde Schlaf nachholen können, beginnen die Angestellten ihren langen Arbeitstag, der sich unvermeidlich bis in die späten Abendstunden hinzieht. In den letzten Zügen, die nachts aus der Stadt herausfahren, sitzen dieselben Angestellten, zusammengesackt auf ihrem Sitz und im Tiefschlaf. Verheiratete finden vielleicht zuhause eine warme Mahlzeit und ein heißes Bad vor, bevor sie sich dann wenige Stunden Schlaf gönnen, gerade ausreichend, um für den nächsten Tag wieder einigermaßen fit zu werden.
Karoshi ist auf die Forderung zurückführen, sein Bestes für die Firma zu geben, erkennbar an der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, und japanische Angestellte bringen sich bei dem Versuch, ihr Soll zu erfüllen, selber um.




